Aus den Fugen

Von | 31. August 2018

 

Am 1. September 1939
begann der ‚Zweite Weltkrieg‘

Das ist offizielle Sprechweise, wie sie sich heute auch in Geschichtsbüchern abbildet. Es entspricht der Wahrheit, dass sich die die ‚ganze Welt‘ im Krieg befand. Es gibt keinen Staat auf dieser Erde, der nicht in irgendeiner Weise sofort oder in bis heute spürbaren Entwicklungen in die Ereignisse ‚verhaftet‘ war.

Unüberschaubar viele Dokumente gibt es, die Ausbruch, Entwicklung, Folgen und Ende detailliert und reflektierend beschreiben. Damit ist gewährleistet, dass auch nachfolgende Generationen an diesem Ereignis nicht vorbeischauen können.

Die (noch)  immer brennende Frage lautet: Wie konnte das geschehen? Wie konnte es geschehen, dass sich dieser Todes-Maschinerie nichts entgegenstellte, das zur ‚Besinnung‘ hätte führen können und ‚andere‘ als Menschenleben verachtende Lösungen in den Blick nahm?

Diese Frage bleibt entscheidend und erwartet Antwort. Das ist jedem Erinnerungs-Datum verpflichtend auf den Weg gegeben. Ich meine heute sogar – und da stehe ich nicht allein – , dass die gegenwärtigen Entwicklungen auf regionaler und globaler Ebene geradezu drängend in dieser Weise herausfordern.


Darstellung an der ‚Ausgrenzungs‘-Mauer bei Betlehem/Westjordanland

Krieg ist immer Ausdruck zerstörerischer Intervention, weil es  angeblich keine andere Intervention zur Krisenbewältigung zu geben scheint und immer hat die Entstehung von Krieg ‚Vorboten‘. Die Welt ist voll von solchen ‚Vorgeschichten‘ von Ausgrenzung, Machtansprüchen, Diskriminierung, Verfolgung und Genozid.

Nachdenkliche Menschen  erheben entsprechend ihre Stimme. ‚Nie wieder Krieg‘ heißt die Parole bei Erinnerung an die Entsetzlichkeiten dieses und anderer Kriege. Der Ruf ist häufig schon beim ‚Ausatmen‘ widerlegt, wenn Kriege – wie in jüngster Zeit in Syrien und anderen militärischen ‚Standorten‘ – billigend und sogar als ‚ultima ratio‘ , also als ‚letzte Möglichkeit‘ (von lat.  ultimus, hier: ‚letzter‘, ‚äußerster‘; sowie ratio, hier: ‚Mittel‘, ‚Möglichkeit‘) in einem Konflikt gesehen werden.

Als spirituell ausgerichteter Mensch widerspreche auch ich mit Nachdruck. Wir stehen in einem ‚Kraft-Dreieck‘, einer ‚Dreieck-Beziehung‘ mit den Eckpunkten ICH – DU – ‚GOTT‘.

Die ‚ICH-DU‘-Ebene ist sozialer Raum, in den wir hineingeboren und hineingewachsen sind. Den gestalten wir bewusst, auch durch Konflikte gezeichnet. 

Diese (Konflikt-)Ebene ICH-DU steht in Beziehung zum Eckpunkt ‚GOTT‘*!  Diese Beziehung ist als Teil unseres Seins in uns angelegt. Manche nennen ihn ‚göttlichen Kern‘. Als Kind haben wir daraus unser ‚Urvertrauen‘ geschöpft und im Erwachsenwerden stehen wir bewusst zustimmend oder ablehnend in dieser Beziehung.

Zugegebenermaßen ist dieser Eckpunkt unkenntlich geworden und hat vielfach seine unmittelbare Kraft durch Missbrauch und Instrumentalisierung verloren. Dieser Vorwurf ist allen religiösen Instanzen zu machen.

Heute geht es drängend darum, die ‚heilende und konstruktive Kraft‘ neu zu entdecken und ihr Raum zu geben! Dabei sind die angesprochenen ‚Instanzen‘ in die Pflicht zu nehmen und zu mahnen, die liebende und werbende Bindung dieses ‚Eckpunktes‘ zu leben und  auch weiterzusagen.


* Die spirituelle Dimension

Ich selbst habe keine Zweifel daran,
dass es diese Dimension gibt,
in der die Ereignisse meines Lebens
in einem anderen Licht erscheinen.
Ich habe auch keinen Zweifel,
dass sie für die große Mehrheit
der Menschen erfahrbar ist.
Ich bin weiterhin überzeugt, dass es heilsam ist,
sich gelegentlich dieser Dimension
bewusst zu werden.
Es ist allerdings sehr subjektiv,
welche Vorstellungen jemand entwickelt,
welche Worte er benutzt,
um diese Dimension zu benennen:
Gott oder Ewigkeit
oder höhere Macht oder Licht oder Liebe?
Oder ganz anders?
Wer diese höhere Macht innerhalb und außerhalb
 seines Selbst anerkennt,
kommt in sein menschliches Maß zurück.
Und das wird ihm gut tun.

Aus: Detlef Wendler, Wie du bist, ist es gut.
© Verlag Kreuz, Stuttgart 2008

 

‚Ich würde gern ohne Gott von Gott sprechen.
Die Sprache finden, die Türen öffnet,
die durch Enttäuschung und Unverständnis
lange verschlossen blieben.‘
Dietrich Bonhoeffer


Diese Wahrheit bleibt: Die angebliche Ausweglosigkeit in Konflikt-Situationen hat im Verlust dieses Bindungsbewusstseins ihre Ursache. Diese Ursache unbedingt in den Blick zu nehmen und sie auch für die kleinen und großen ‚ausweglosen‘ Konflikte im Alltag gelten zu lassen, ist die Herausforderung.

Verliert sich diese ‚Bindung‘, hat das fatale Folgen. Der Mensch ist auf sich selbst gestellt und gerät in Abhängigkeiten, die ihm zum Verhängnis werden. Die Welt sei aus den ‚Fugen‘ geraten, wird häufig zitiert. Ein aufschlussreiches Bild. Wenn Fugen brüchig werden, also nicht mehr zusammenhalten, gerät ein Bauwerk ins Wanken. Ohne Bild verstanden: Wenn Menschen das Bewusstsein verlieren, dass diese Eckpunkte sich gegenseitig ‚brauchen‘, geht ‚VerANTWORTung‘ verloren. Das Kräftespiel ist nicht mehr Teil des ‚inneren Dialogs‘. 

Die in alter Zeit aus dieser ‚Vereinsamung‘ genannten ‚Sieben Tod-Sünden‘ sind sehr, sehr aktuell. Der Begriff ‚Sünde‘ übrigens weist in seiner etymologischen Herkunft genau auf die Folge von einer ‚Abtrennung‘ hin (altd. Sund=Trennung).

HABGIER UND GEIZ
Ständige Gewinnmaximierung als höchtes Ziel
WOLLUST
Respektlose Bedürfnisbefriedigung
VÖLLEREI
Rücksichtslose Ausbeutung der Ressourcen

NEID
Sich vergleichen als Motor beschleunigten Konsumkapitalismus

HOCHMUT
Selbstüberschätzung und Arroganz: ‚Besser sein als andere‘

TRÄGHEIT
Bequeme Neutralität und Gleichgültigkeit

ZORN
Zerstörerische Aggressions-Epidemie

Der Theologe Eugen Drewermann erinnert daran, dass das heutige Christentum vor allem eine ‚Erlösungsreligion‘, im Grunde genommen eine gleichsam ‚therapeutische‘ Veranstaltung sei. Damit ist der heilende Effekt benannt, der aus der unabdingbaren ‚Bindung‘ an die ‚höhere Macht‘ (Gott *) erwächst.


Der Regenbogen ist altes Sinnbild für ‚höhere Macht‘ (GOTT*)

Wir brauchen demonstrative Mobilmachung gegen jede Vereinfachung und Polarisierung auf der ‚ICH-DU‘-Ebene.  Es gilt, die ‚geist’reiche Haltung gegen selbstzerstörerisches (depressives) und destruktives Verhalten ins Spiel zu bringen.

Wir sind schon wie lange nicht mehr zum ‚Aufstand der Anständigen‘, also derer, die sich in dem genannten Kraft-Feld bewegen, aufgerufen!

Angesichts wieder kehrender ‚Erinnerungsdaten‘ mit dem Apell ‚Nie wieder Krieg‘ und ‚Nie wieder Rassismus und Verfolgung‘ sollte der Ruf lauten: ‚Zurück in das Leben gestaltende und Leben rettende ‚geist’volle Beziehungs-Geflecht‘ und so Verantwortung übernehmen.


Wenn du also Gott in dir selbst findest, so höre ich Jesus sa­gen, wenn du ihn hörst in dem inneren Wort, das in deiner ei­genen Tiefe ergeht, dann findest du damit etwas unendlich Kostbares, deinen Schatz. Eine Lebenskraft, die die deine übersteigt. Eine Klarheit, die du nicht aus dir selbst hast. Ein Vertrauen und einen Glauben, zu dem du von dir selbst aus die Kraft nicht hättest. Sage also: Ich bin ein Ort Gottes. Und mehr kann ich nicht wollen und nicht werden. An dieser Stelle werde ich (wenn überhaupt) den Sinn meines Lebens finden.
Aus ‚Dornen können Rosen tragen‘, Jörg Zink


Das heißt mindestens beispielhaft, das ’spirituelle Kraft-Dreieck‘ zu leben, den entsprechenden ‚Dialog‘ auf beiden Ebenen zu pflegen und, gute ‚Botschaften‘ aus dieser Erfahrung zu verbreiten und zur Gemeinschaft einzuladen.

Jan-Peter Wilckens

Hinweis
Alle Beiträge auf meiner Homepage sind von dem geschilderten ‚Dreiklang‘ ‚durchtönt‘. ‚Weichen stellen‘ heißt für mich auch, sich immer wieder neu auf diese Ebenen ‚einzunorden‘, um in der ‚Spur‘ zu bleiben. Dazu gibt es auch Anleitungen‘. Hier findest Du eine: LEBEN AUS DER MITTE.

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