Zeit haben

Von | 3. April 2014

TEMPORAL-INSOLVENZ

 

Von ‚Temporal-Insolvenz’ spricht Hartmut Rosa*. Was ‚Zeit haben’ betrifft, werden wir immer zahlungsunfähiger. Dabei müsste es eigentlich einen Zeit–Überfluss geben, denn schließlich geht alles schneller.

Wir haben keine Zeit, obwohl wir ständig Zeit gewinnen. Das ist ein Struktur-Merkmal unserer Zeit.

Der Beschleunigungsaspekt ist eine ‚kulturelle Idee’. Sie entspringt der Tatsache, dass Leben als ‚Leben vor dem Tod’ verstanden wird. Wir stehen unter dem Druck eines linearen Zeitbewusstseins, das heißt wir leben determiniert. Das führt zu Atemlosigkeit und zu einer Art ‚rasenden Stillstands’!

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Spirituelle Orientierung: Meine Zeit steht in ‚Gottes‘ Händen

Wir haben diese Zeitnormen so verinnerlicht, dass wir zur nächsten Haltestelle rennen, weil wir das Warten verlernt haben. Im Erleben ist Warten ‚verlorene Zeit’. Wir werden für Beschleunigung empfänglich gemacht.

Unsere Kinder zahlen den Preis am deutlichsten! Eigentlich sind sie unempfindlich für Beschleunigungstendenzen. Sie werden aber empfänglich für Beschleunigung gemacht. So ist Erziehung häufig wie eine ‚zeitliche Abrichtung’: „Mach schneller!“ – „Beim Essen wird nicht geredet!“ …

Größte Sorge mancher Eltern ist, ihre Kinder könnten zurück bleiben. Eltern sind permanent unter Druck. Auftretende Sprechstörungen sind häufig Ausdruck des Widerstandes. Umso mehr müssen sie so schnell wie möglich behoben werden!

Diese Sorge hat unsere Gesellschaft gleichsam durchwirkt! Es herrscht die Angst, abgehängt zu sein und es werden teilweise unverantwortlich ‚Türen’ geöffnet, um Anschluss zu halten.

Ein Maß an ‚Gier’ verbirgt die Angst, abgehängt zu sein. Die Angst vor dem Versagen klopft an die Tür! Die Strategie lautet: Ich will mehr und du machst mehr! Solche Steigerung soll die Lebens-Qualität erhöhen – allerdings um den Preis ‚innerer Atemlosigkeit‘ !

ENTSCHLEUNIGUNGS-STRATEGIEN

Weniger Karriere bringt Zeit.

Subversions-Strategie: Keine Wachstumsraten unterstützen.

‚Momo’**  besiegt die Zeit-Diebe, indem sie den ‚Weg in die Herzen’ findet.

Sich als Geführte und nicht als Getriebene verstehen.

Von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung finden.

Gemeinsame Orte der Langsamkeit und der Absichtslosigkeit schaffen.

Spirituelle Orientierung: Meine Zeit steht in ‚Gottes‘ Händen!

 *Die Anregung zu diesem Text erhielt ich vor schon längerer Zeit durch ein Interview im WDR mit Hartmut Rosa, Soziologe.
** ‚Momo‘ von Michael Ende


 EINEN BRIEF AN MICH

Zieh dich zurück an einen schönen Ort, schreibe einen Brief an Dich und erinnere Dich Deiner Zeit-Geschichten:

Wo hatte ich Zeit?
Wo habe ich Zeit gegeben?
Wo habe ich keine Zeit gegeben?
Wo habe ich von anderen Zeit bekommen?
Wo habe ich von anderen Zeit vermisst?


Als ich mich diesen Fragen stellte, fand ich für mich diese Antworten ….

Ich mag Zeit im Rhythmus des Atems: Ein-Atmen und Aus-Atmen …

Ich mag Zeit im Rhythmus von Aktion und Stille – ‚ora et labora!‘.

Da habe ich Zeit – da kann ich sein, da kann ich Zeit geben. Da kann ich Zeit anderer annehmen!

Bin ich nicht in diesem Rhythmus, habe ich keine Zeit. Da kann ich keine Zeit geben und da vermisse ich Zeit von anderen – manchmal auch an- und einklagend!
Ich mag auch den Gedanken an eine ‚Zeit-Diät‘, früher als ‚Askese‘ (enthaltsame Lebensweise) bezeichnet. Eine Askese, nicht alles und dieses auch noch sofort erledigt haben müssen!
Auch diese Sicht tut gut: ‚Ewigkeit ist das ‚Herz der Zeit‘, die in den Zeit-Abläufen aufleuchtet. Wir sind mit Ewigkeit ‚infiziert‘ – das bringt mir Gelassenheit!
Ich möchte mich immer wieder diesem bewahrenden Rhythmus stellen.
Verfasser ist mir unbekannt 


Eine stereotype Meldung, die nachdenklich macht …..

‚Auf der Autobahn A1 gibt es einen Stau von 10 Kilometer Länge. Zeitverlust eine halbe Stunde ….‘, gibt eine Stimme im Radio bekannt.

‚Zeit-Verlust‘! Da geht Zeit verloren? Wirklich ist es doch eine ‚Entschleunigung‘, die Ungeahntes an Möglichkeiten bereit hält.  ‚Dazu erhalten sie jetzt  eine halbe Stunde Zeit ….‘, wäre eine ermutigende Mitteilung, ein fast alltägliches  Ereignis wie ein ‚Geschenk‘ anzunehmen.

Dazu finde ich diesen Hinweis: ‚Zeit lässt sich nicht vermehren, sondern nur ‚verdichten‘.


Übertragung der Geschichte von der Speisung der 5000
Die wundersame Zeitvermehrung
nach Lothar Zenetti

‚Und Jesus sah eine große Menge Volkes, die Menschen taten ihm leid, und er redete zu ihnen von der unwiderstehlichen Liebe Gottes. Als es dann Abend wurde, sagten seine Jünger: Herr, schicke diese Leute fort, es ist schon spät, sie haben keine Zeit.

Gebt ihnen doch davon, so sagte er, gebt ihnen doch von eurer Zeit! Wir haben selber keine, fanden sie,und was wir haben, dieses wenige, wie soll das reichen für so viele?

Doch war da einer unter ihnen, der hatte wohl noch fünf Termine frei, mehr nicht, zur Not, dazu zwei Viertelstunden. Und Jesus nahm, mit einem Lächeln, die fünf Termine, die sie hatten, die beiden Viertelstunden in die Hand. Er blickte auf zum Himmel, sprach das Dankgebet und Lob, dann ließ er austeilen die kostbare Zeit durch seine Jünger an die vielen Menschen.

Und siehe da: Es reichte nun das wenige für alle. Am Ende füllten sie sogar zwölf Tage voll mit dem, was übrig war an Zeit, das war nicht wenig. Es wird berichtet, dass sie staunten. Denn Unmögliches, das sahen sie, ist möglich bei ihm.‘

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