Gott macht Urlaub

Von | 11. Juni 2014

Bin im Garten …

So mitten im Sommer als die Schwimmbäder überfüllt sind und die Menschen in den Eisdielen Schlange nach Stracciatella mit Zitrone stehen … so mitten im Sommer als das Mineralwasser schon knapp wird und es im Großen Kaufhaus in der Langens Straße keine kurzen Hosen mehr gibt … so mitten im Sommer macht sich ein unbekannter Schelm auf und bringt irgendwann zwischennächtlicher Kühle und zwitscherndem Morgengesang der Vögel an der riesigen zweiflügeligen Kirchentür der Kirche ‚Zum Guten Hirten‘ ein großes Schild an. ,Bin im Garten!‘ steht auf einem unfreundlichen Schild, das mit vier Schrauben in dem Holz der Tür befestigt wurde. ,Will meine Ruhe haben! Mit Gruß. Gott!‘

P3259150_klein
Der Küster der Kirche ‚Zum Guten Hirten‘ wird von der Zeitungsfrau rausgeklingelt. ,Da ist so ein merkwürdiges Schild an deiner Kirche!‘ Der Küster klingelt die Pastorin raus. ,lch muss dir mal was zeigen!‘ ,Weg mit Schild!‘ ordnet die Pastorin dem akkuschrauberbewaffneten Küster an. Aber der Akku schraubt nicht. ,Leer kann er nicht sein. Habe ihn gerade erst aufgeladen.‘ In der Gesäßtasche steckt der große Schraubenzieher, den der Küster immer dabei hat. ,Falls mal bei jemandem eine Schraube locker ist,‘ witzelt er,  wenn er danach gefragt wird. Der große Schraubenzieher bricht ab. ,Das gibt es doch nicht!‘, flucht der Mann ganz unküsterlich.

,Wer hat das Schild denn angebracht?‘, fragt ein vorbeikommender Passant lachend. ,Find ich cool! Bin im Garten. Will meine Ruhe haben! Kann ich gut verstehen, dass der Herr Gott auch mal so eine Art Urlaub braucht.‘ Geht ohne eine Antwort abzuwarten weiter.


,Wo ist denn der Garten vom Gott?‘ fragt ein brötchenholender Zehnjähriger, der das Schild gelesen hat. ,Du, da hat sich einer einen Scherz erlaubt …‘, versucht die Pastorin zu erklären. ,Liegt er da in einer Hängematte und erholt sich oder zupft der da Unkraut?‘, will der Kleine ungerührt wissen. ,Das Schild ist nicht vom lieben Gott …‘, nimmt die Pastorin den Kleinen ernst. ,Dass der mal seine Ruhe braucht, ist ja klar‘, sinniert der Junge weiter. ,Mannomann, an was der alles denken muss. Der hat bestimmt noch mehr zu tun als meine Mutter! Und die will auch mal ihre Ruhe haben.’Geht weiter … Brötchen holen.

,Wenn man so drüber nachdenkt,‘ sagt die Pastorin. ,Gott will seine Ruhe haben! Das ist eigentlich mal eine gute Predigtidee …‘.
,Keine gute Idee‘, sagt der herbeigekommene Kollege Sänger. ,Psalm 121, Vers 4 …!‘ „Psalm 121, Vers 4?‘, fragt der Küster mit einer herbeigeholten Trennscheibe in der Hand, mit der er die Schrauben köpfen will. ,Da steht: Siehe, der dich behütet schläft und schlummert nicht …‘ antwortet Pastor Sänger. ,Auf Deutsch: Gott macht keinen Urlaub! Geht auch nicht in seinen Garten. Sagt auch nicht, dass er nicht gestört werden will.‘

,Mir wäre Gott im Garten sympatischer als in der Kirche‘, spricht eine Frau auf dem Weg zur Physiotherapie über die Schulter der kleinen Versammlung. ,Die ganze Welt ist Gottes Garten …‘, lächelt die Pastorin. ,Na, Prost Mahlzeit!‘ sagt die Frau. ,Dann kann er sich seine Ruhe aber gleich abschminken. Hunger in Afrika, Überschwemmung in Bangla Desh, Bürgerkrieg in Syrien, Tauwetter in der Arktis, … da wird er
in seinem Liegestuhl nicht lange Freude haben.‘ ,Der dich behütet, liegt nicht im Liegestuhl,‘ erinnert Pastor Sänger.

,Das Schild ist Quatsch!‘ Der Küster trennt den ersten Schraubenkopf ab. ,Nee! Lass mal hängen‘, sagt de Pastorin. ,Offensichtlich löst es Diskussionen aus! Das finde ich ehrlich gesagt ganz gut!‘ ,Wie die Thesen an der Schlosskirche von Wittenberg ,‘ erinnert sich der Küster. ,Martin Luther und so!‘

Der unbekannte Schelm hört hinter einem Busch verborgen zu und freut sich. Freut sich darüber, dass er mit Martin Luther verglichen wird und darüber, dass Gott nie seine Ruhe braucht.  ln der nächsten Nacht – so zwischen Kühle der Nacht und Zwitschern der Vögel – überklebt er den Satz mit der Ruhe und jetzt steht da: ,Bin im Garten. Komm mich besuchen! Mit Gruß. Gott!‘

OLYMPUS DIGITAL CAMERA


Was am nächsten Morgen passierte, ist eine andere Geschichte für ein andermal.

Hans Hentschel, Superintendent im Kirchenkreis Bramsche (Osnabrücker Land)


ZURÜCK ZUR SAMMLUNG